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Dr. Johannes Fiala / Dipl.-Math. Peter A. Schramm
München im August 2015
Geschäftsführer und leitende Angestellte verschenken den Insolvenzschutz ihrer Altersversorgung*
- Warum Arbeitgeber die Pensionen trotz Rückdeckungsversicherung alleine zahlen müssen -
Wenn Geschäftsführer und leitende Angestellte ihre betriebliche Altersversorgung (bAV) als Pensionszusage bzw. Direktzusage versprochen bekamen, reicht in den allermeisten Fällen das vorhandene Rückdeckungsvermögen zur vollen Finanzierung der Altersleistungen nicht aus. Soweit eine Rückdeckung - beispielsweise als Lebensversicherung oder Investmentfonds - vorhanden ist, denken Arbeitgeber, daß dieses Vermögen zunächst erstmal mindestens anteilig für die Pensionszahlung aufgebraucht werden könne Indes sollten nicht nur Geschäftsführer und leitende Angestellte darauf achten, daß sie auf die Rückdeckung - als meist nur teilweise Sicherheit für die Finanzierung der Auszahlungen ihrer bAV - nicht zu früh verzichten. Käme es später zur Insolvenz des Arbeitgebers, so stünde der Mitarbeiter anderenfalls oft mit leeren Händen da.
Mitarbeiter können Hinterlegung der bAV-Rückdeckung zu ihrer Versorgung verlangen
Vielen Mitarbeitern, auch normalen Arbeitnehmern, ist nicht bewußt, daß sie ein Wörtchen mitzureden haben, wenn das als Rückdeckung angesparte und sicherheitshalber an sie verpfändete Vermögen als Kapitalanlage fällig wird. Denn dann kann das Finanzhaus (z.B. Bank oder Versicherer) nur an den Arbeitgeber und den (Ex-)Mitarbeiter gemeinsam leisten, § 1281 I BGB.
Der Mitarbeiter könnte selbst vom Insolvenzverwalter verlangen, daß die Finanzmittel hinterlegt werden (BGH, Az. IX ZR 176/11), oft bestenfalls beim gleichen Finanzhaus zur zeitlich fortdauernden Kapitalanlage mit Aussicht auf eine Wertsteigerung. Tritt der Fall ein, daß die Kapitalanlage geändert wird, beispielsweise weil es zu einer Neuanlage des bAV-Vermögens kommt, so bedarf es keiner neuen Verpfändung, weil sich das einmal eingeräumte Pfandrecht auch auf alle Surrogate bezieht – also sowohl auf den Auszahlungsbetrag als auch auf die davon neu eingekaufte Kapitalanlage, § 1247 BGB.
Gleichwohl muß auch die Umschichtung rechtlich weitergehend abgesichert sein, denn selbst die Auszahlung der vorhandenen Rückdeckung auf ein „Sonderkonto“ des Arbeitgebers kann zum Totalverlust des Pfandrechts beim Mitarbeiter führen, gleichsam als Sanierungsbeitrag.
Arbeitgeber schuldet volle Zahlung der bAV - ohne Rückgriffsmöglichkeit auf Rückdeckungsmittel
Der Arbeitgeber ist stets in der Situation, daß er bei Rentenbeginn erst mal über Jahre die bAV-Leistungen in voller Höhe ganz alleine aufbringen muß, ohne Rückgriff auf das nur teilweise ausreichende verpfändete Rückdeckungsvermögen. Der Arbeitgeber kann nach Gesetz und Rechtsprechung keinesfalls vom (Ex-)Mitarbeiter oder Geschäftsführer verlangen, daß dieser die Rückdeckungsmittel auch nur teilweise oder sukzessive freigibt, beispielsweise durch Verzicht auf das Pfandrecht oder Abtretung, oder dadurch, dass er statt Zahlungen durch den Arbeitgeber solche durch den Rückdeckungsversicherer akzeptiert.
Erst wenn die Rückdeckungsmittel – ggf. nach langen Jahren der Rentenzahlung durch den Arbeitgeber - so hoch sind, daß es zu einer sogenannten Übersicherung kommt, wird der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf vielfach nur teilweise bzw. ratierliche Freigabe haben (BGH, Beschluß vom 06.03.1997, Az. IX ZR 74/95). Dies ist wirtschaftlich regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Rückdeckungsmittel bis zu mehr als 110% des notwendigen Vermögens zur vollständigen Ausfinanzierung der vom Arbeitgeber zugesagten bAV-Leistungen (Altersrente, ggf. zuzüglich Invaliditätsvorsorge, Hinterbliebenenversorgung) betragen. Der Arbeitgeber kann den Mitarbeiter nicht zwingen, daß zunächst auch selbst nur teilweise auf die sowieso regelmäßig unzureichend hohen Rückdeckungsmittel zugegriffen wird, denn damit sinkt der Vermögensschutz für den Fall der Insolvenz. Das Pfandrecht des Mitarbeiters bezüglich der Rückdeckung erlischt erst dann, ganz automatisch - gesetzlich, wenn die Forderung vollständig erfüllt ist, § 1252 BGB.
Gleichwohl versuchen natürlich Arbeitgeber diese Verpflichtungen nachträglich für sich abzumildern. Dazu bieten dann Banken einen Auszahlplan an, und Versicherungen einen neuen Vertrag auf lebenslange Rente – und dies unter Einsatz der nur teilweise vorhandenen Rückdeckungsmittel. Der Arbeitgeber verspricht dann lediglich die monatliche Differenz drauf zu legen, während der Mitarbeiter jeden Monat unnötigerweise seinen Teil seiner bAV-Sicherheit einbüßt. Bei richtiger rechtlicher Aufklärung müssen ehemalige Arbeitnehmer und Geschäftsführer sich auf solch riskante verfrühte Sicherheitenfreigabe nicht einlassen.
Untersicherung ist der Regelfall bei Beginn der bAV-Rentenzahlung bei Pensionszusagen
Beispielsfall zur Illustration: Es werden zur Ausfinanzierung eine bAV-Zusage zum Zeitpunkt des Rentenbeginns 200 TEUR benötigt. Sind jedoch dann lediglich 100 TEUR vorhanden, bei angenommenen jährlichen bAV-Rentenleistungen von durchschnittlich 10 TEUR, so liegt eine Untersicherung in Höhe der Hälfte des notwendigen Vermögens vor. Damit kommt es erst nachdem der Arbeitgeber mehr als 10 Jahre die bAV-Leistungen erbracht hat, zum Eintritt einer (teilweisen) Übersicherung. Dies belastet den Arbeitgeber, der nun die bAV-Leistungen erst mal komplett aus dem laufenden Ertrag finanzieren muß, mit seiner Arbeitgeberhaftung und Zahlungspflichten gemäß seinem bAV-Versprechen. An das Geld aus der verpfändeten Rückdeckungsversicherung kommt er einstweilen nicht heran.
Spiegelbildlich fehlt in nahezu allen bAV-Zusagen eine vollständige Vermögensabsicherung zur Ausfinanzierung der künftigen Pensionsansprüche. Leitende Angestellte und Geschäftsführer geben damit ihrem Arbeitgeber insoweit einen „Blanco-Kredit“ – schließlich haben sie auch für diese Arbeitgeberleistungen gearbeitet, also nur die Auszahlung dieses Teils der Vergütung durch Vereinbarung einer bAV in die Zukunft geschoben. Mitarbeiter und Betriebsräte haben es bisher regelmäßig versäumt, etwa wie bei Banken und Sparkassen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen üblich, einen Rechtsanspruch auf Verstärkung der Sicherheiten durch wirtschaftlich vollständige Ausfinanzierung der künftigen Leistungen aufgrund von bAV-Zusagen vorzusehen.
Altersarmut bewußt in Kauf genommen
Der Pensionssicherungsverein tritt nicht ein, wenn Rückdeckungsmittel nicht rechtswirksam gesichert wurden, und der Arbeitgeber dieses Vermögen schlicht ähnlich dem Vorgehen einer Finanzheuschrecke ungehindert aus dem Unternehmen herausziehen konnte. Ein Abgeordneter des Bundestages kommentierte dies mit den Worten: „Diese Regelungslücke wurde offenkundig“, nachdem die ehemalige Metro-Unternehmensgruppe „Kaufhalle“ an einen Investor veräußert wurde, der die rund 30 Millionen Euro Betriebsrentenrücklagen des Unternehmens ins Ausland verbrachte, sich aus Deutschland absetzte und die Zahlungen an die Betriebsrentner einstellte.“
Daß es dazu kommen konnte, verdanken die Mitarbeiter allzu großer Sorglosigkeit, vielleicht auch dem Vertrauen in einen überforderten Betriebsrat? Die Sicherung des bAV-Vermögens für den Zeitpunkt des Rentenbeginns kann nur dann gelingen, wenn dessen Aufbau in ausreichender Höhe vom Mitarbeiter kontrolliert wird, und die Sicherheiten wie etwa eine Verpfändung von Rückdeckungsmitteln rechtswirksam erfolgt war. Würden Betriebsrentenrücklagen gleichwohl geplündert oder verschwinden, so müßte – nur bei rechtswirksamen Vereinbarungen, bestenfalls mit jedem Mitarbeiter persönlich, aber eben nicht lediglich mit dem Arbeitgeber - das eingebundene Finanzhaus abermals bezahlen.
Liquiditätsfalle für Arbeitgeber – Rechtsirrtum für Mitarbeiter
Wenn die bAV-Rentenzahlung ansteht, tritt Pfandreife ein, § 1282 BGB. Obwohl der Mitarbeiter bei bAV-Untersicherung nicht zum Versilbern des verpfändeten bAV-Vermögens gezwungen werden kann, verbreiten viele Finanzplaner und Versicherungsvermittler ein Märchen, wonach das Pfandrecht als Sicherheit des Mitarbeiters bereits mit Auszahlung einer Rückdeckungsversicherung nach Fälligkeit (aber vor bAV-Rentenbeginn) entfallen sei
Damit wird vielfach nur verdeckt, daß die Rückdeckungsmittel zu keiner Zeit an den Mitarbeiter sicherheitshalber und wirksam verpfändet worden waren. Mitarbeiter sollten es daher nicht versäumen, die Verpfändung der bAV-Rückdeckungsmittel gegenüber Versicherung oder Fondsgesellschaft persönlich anzuzeigen, und sich den Eingang dieser Mitteilung schriftlich bestätigen zu lassen. Darüber hinaus ist es vielleicht auch spannend zu beobachten, welche Zahlungen vom Arbeitgeber wirklich geleistet wurden, und wie es mit der Wertentwicklung der Rückdeckungsmittel ausschaut. Entscheidend ist, daß freundliche Verträge und/oder Zusagen allein des Arbeitgebers, beispielsweise dem Mitarbeiter sei ein Bezugsrecht eingeräumt oder die Rückdeckung sei an den Mitarbeiter verpfändet, zunächst absolut wirkungslos sind.
Normalen Angestellten, leitenden Mitarbeitern und Geschäftsführern – soweit sie durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) „geschützt“ wären – sollte bewußt sein, daß die Leistungen des PSVaG bis zu weniger als 50% dessen sein könnten, was ursprünglich zugesagt wurde – Geschäftsführer sind auf diese Weise oft gar nicht gesichert. Denn ab dem Eintritt des Sicherungsfalles kommen erwirtschaftete Überschüsse aus der Kapitalanlage nicht mehr dem Mitarbeiter zugute. Diese Überschüsse werden im Solidarsystem des PSVaG anderweitig verwendet.
Uninformierte Rentner und Pensionäre geben dann auch noch ab Rentenbeginn die an sie verpfändeten ohnehin unzureichenden Sicherheiten ganz oder teilweise auf, weil sie meinen, es müsste so funktionieren, wie ihnen der Arbeitgeber oder auch der Rückdeckungsversicherer dies weismachen will. Dem gilt es informiert sich schlicht zu verweigern, und auf dem vollen Erhalt der verpfändeten Sicherheiten zu bestehen, indem sie beispielsweise beim Versicherer ungekürzt hinterlegt bleiben, während der Arbeitgeber einstweilen die Betriebsrenten alleine bezahlt. Klagt der Arbeitgeber darob über eintretende Liquiditätsprobleme, so bestätigt dies nur, wie richtig die Entscheidung war, die verpfändeten Sicherheiten ungekürzt liegen zu lassen.
Mancher Arbeitgeber mag überrascht sein, dass seine Vorfinanzierung der bAV durch Rückdeckungsversicherungen auf diese Weise überhaupt nicht dazu führt, dass diese sich dann später mindestens anteilig ab Rentenbeginn auch an den Rentenzahlungen beteiligen wird. Er müsste aber einfach nur auf seinen Rückdeckungsversicherer hören und soviel Mittel ansparen, dass diese auch als Sicherheiten später voll ausreichen.
*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
Urheberrecht:
SOME RIGHTS RESERVED - vgl. Creative Commons http://mirrors.creativecommons.org/
Im Sinne freier Netzgesellschaft (Professor Lawrence Lessing, Stanford Law School, www.lessing.org) unterfallen die Texte (auch auf der Internetseite www.fiala.de) den Regelungen der Non-Profit-Organisation "Creative Commons" (http://de.creativevommons.org).
Sie dürfen:
. das Werk bzw. den Inhalt vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, und
. das Werk bzw. den Inhalt auch kommerziell nutzen.
Zu folgenden Bedingungen:
. Namensnennung — Sie müssen den Namen des Autors/Rechteinhabers in der von ihm festgelegten Weise nennen.
. Keine Bearbeitung — Dieses Werk bzw. dieser Inhalt darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verändert werden.
Im übrigen wird um vorherige Anfrage höflich gebeten.
Geschäftsführer und leitende Angestellte verschenken den Insolvenzschutz ihrer Altersversorgung
Dr. Johannes Fiala / Dipl.-Math. Peter A. Schramm
München im August 2015
Geschäftsführer und leitende Angestellte verschenken den Insolvenzschutz ihrer Altersversorgung*
- Warum Arbeitgeber die Pensionen trotz Rückdeckungsversicherung alleine zahlen müssen -
Wenn Geschäftsführer und leitende Angestellte ihre betriebliche Altersversorgung (bAV) als Pensionszusage bzw. Direktzusage versprochen bekamen, reicht in den allermeisten Fällen das vorhandene Rückdeckungsvermögen zur vollen Finanzierung der Altersleistungen nicht aus. Soweit eine Rückdeckung - beispielsweise als Lebensversicherung oder Investmentfonds - vorhanden ist, denken Arbeitgeber, daß dieses Vermögen zunächst erstmal mindestens anteilig für die Pensionszahlung aufgebraucht werden könne Indes sollten nicht nur Geschäftsführer und leitende Angestellte darauf achten, daß sie auf die Rückdeckung - als meist nur teilweise Sicherheit für die Finanzierung der Auszahlungen ihrer bAV - nicht zu früh verzichten. Käme es später zur Insolvenz des Arbeitgebers, so stünde der Mitarbeiter anderenfalls oft mit leeren Händen da.
Mitarbeiter können Hinterlegung der bAV-Rückdeckung zu ihrer Versorgung verlangen
Vielen Mitarbeitern, auch normalen Arbeitnehmern, ist nicht bewußt, daß sie ein Wörtchen mitzureden haben, wenn das als Rückdeckung angesparte und sicherheitshalber an sie verpfändete Vermögen als Kapitalanlage fällig wird. Denn dann kann das Finanzhaus (z.B. Bank oder Versicherer) nur an den Arbeitgeber und den (Ex-)Mitarbeiter gemeinsam leisten, § 1281 I BGB.
Der Mitarbeiter könnte selbst vom Insolvenzverwalter verlangen, daß die Finanzmittel hinterlegt werden (BGH, Az. IX ZR 176/11), oft bestenfalls beim gleichen Finanzhaus zur zeitlich fortdauernden Kapitalanlage mit Aussicht auf eine Wertsteigerung. Tritt der Fall ein, daß die Kapitalanlage geändert wird, beispielsweise weil es zu einer Neuanlage des bAV-Vermögens kommt, so bedarf es keiner neuen Verpfändung, weil sich das einmal eingeräumte Pfandrecht auch auf alle Surrogate bezieht – also sowohl auf den Auszahlungsbetrag als auch auf die davon neu eingekaufte Kapitalanlage, § 1247 BGB.
Gleichwohl muß auch die Umschichtung rechtlich weitergehend abgesichert sein, denn selbst die Auszahlung der vorhandenen Rückdeckung auf ein „Sonderkonto“ des Arbeitgebers kann zum Totalverlust des Pfandrechts beim Mitarbeiter führen, gleichsam als Sanierungsbeitrag.
Arbeitgeber schuldet volle Zahlung der bAV - ohne Rückgriffsmöglichkeit auf Rückdeckungsmittel
Der Arbeitgeber ist stets in der Situation, daß er bei Rentenbeginn erst mal über Jahre die bAV-Leistungen in voller Höhe ganz alleine aufbringen muß, ohne Rückgriff auf das nur teilweise ausreichende verpfändete Rückdeckungsvermögen. Der Arbeitgeber kann nach Gesetz und Rechtsprechung keinesfalls vom (Ex-)Mitarbeiter oder Geschäftsführer verlangen, daß dieser die Rückdeckungsmittel auch nur teilweise oder sukzessive freigibt, beispielsweise durch Verzicht auf das Pfandrecht oder Abtretung, oder dadurch, dass er statt Zahlungen durch den Arbeitgeber solche durch den Rückdeckungsversicherer akzeptiert.
Erst wenn die Rückdeckungsmittel – ggf. nach langen Jahren der Rentenzahlung durch den Arbeitgeber - so hoch sind, daß es zu einer sogenannten Übersicherung kommt, wird der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf vielfach nur teilweise bzw. ratierliche Freigabe haben (BGH, Beschluß vom 06.03.1997, Az. IX ZR 74/95). Dies ist wirtschaftlich regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Rückdeckungsmittel bis zu mehr als 110% des notwendigen Vermögens zur vollständigen Ausfinanzierung der vom Arbeitgeber zugesagten bAV-Leistungen (Altersrente, ggf. zuzüglich Invaliditätsvorsorge, Hinterbliebenenversorgung) betragen. Der Arbeitgeber kann den Mitarbeiter nicht zwingen, daß zunächst auch selbst nur teilweise auf die sowieso regelmäßig unzureichend hohen Rückdeckungsmittel zugegriffen wird, denn damit sinkt der Vermögensschutz für den Fall der Insolvenz. Das Pfandrecht des Mitarbeiters bezüglich der Rückdeckung erlischt erst dann, ganz automatisch - gesetzlich, wenn die Forderung vollständig erfüllt ist, § 1252 BGB.
Gleichwohl versuchen natürlich Arbeitgeber diese Verpflichtungen nachträglich für sich abzumildern. Dazu bieten dann Banken einen Auszahlplan an, und Versicherungen einen neuen Vertrag auf lebenslange Rente – und dies unter Einsatz der nur teilweise vorhandenen Rückdeckungsmittel. Der Arbeitgeber verspricht dann lediglich die monatliche Differenz drauf zu legen, während der Mitarbeiter jeden Monat unnötigerweise seinen Teil seiner bAV-Sicherheit einbüßt. Bei richtiger rechtlicher Aufklärung müssen ehemalige Arbeitnehmer und Geschäftsführer sich auf solch riskante verfrühte Sicherheitenfreigabe nicht einlassen.
Untersicherung ist der Regelfall bei Beginn der bAV-Rentenzahlung bei Pensionszusagen
Beispielsfall zur Illustration: Es werden zur Ausfinanzierung eine bAV-Zusage zum Zeitpunkt des Rentenbeginns 200 TEUR benötigt. Sind jedoch dann lediglich 100 TEUR vorhanden, bei angenommenen jährlichen bAV-Rentenleistungen von durchschnittlich 10 TEUR, so liegt eine Untersicherung in Höhe der Hälfte des notwendigen Vermögens vor. Damit kommt es erst nachdem der Arbeitgeber mehr als 10 Jahre die bAV-Leistungen erbracht hat, zum Eintritt einer (teilweisen) Übersicherung. Dies belastet den Arbeitgeber, der nun die bAV-Leistungen erst mal komplett aus dem laufenden Ertrag finanzieren muß, mit seiner Arbeitgeberhaftung und Zahlungspflichten gemäß seinem bAV-Versprechen. An das Geld aus der verpfändeten Rückdeckungsversicherung kommt er einstweilen nicht heran.
Spiegelbildlich fehlt in nahezu allen bAV-Zusagen eine vollständige Vermögensabsicherung zur Ausfinanzierung der künftigen Pensionsansprüche. Leitende Angestellte und Geschäftsführer geben damit ihrem Arbeitgeber insoweit einen „Blanco-Kredit“ – schließlich haben sie auch für diese Arbeitgeberleistungen gearbeitet, also nur die Auszahlung dieses Teils der Vergütung durch Vereinbarung einer bAV in die Zukunft geschoben. Mitarbeiter und Betriebsräte haben es bisher regelmäßig versäumt, etwa wie bei Banken und Sparkassen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen üblich, einen Rechtsanspruch auf Verstärkung der Sicherheiten durch wirtschaftlich vollständige Ausfinanzierung der künftigen Leistungen aufgrund von bAV-Zusagen vorzusehen.
Altersarmut bewußt in Kauf genommen
Der Pensionssicherungsverein tritt nicht ein, wenn Rückdeckungsmittel nicht rechtswirksam gesichert wurden, und der Arbeitgeber dieses Vermögen schlicht ähnlich dem Vorgehen einer Finanzheuschrecke ungehindert aus dem Unternehmen herausziehen konnte. Ein Abgeordneter des Bundestages kommentierte dies mit den Worten: „Diese Regelungslücke wurde offenkundig“, nachdem die ehemalige Metro-Unternehmensgruppe „Kaufhalle“ an einen Investor veräußert wurde, der die rund 30 Millionen Euro Betriebsrentenrücklagen des Unternehmens ins Ausland verbrachte, sich aus Deutschland absetzte und die Zahlungen an die Betriebsrentner einstellte.“
Daß es dazu kommen konnte, verdanken die Mitarbeiter allzu großer Sorglosigkeit, vielleicht auch dem Vertrauen in einen überforderten Betriebsrat? Die Sicherung des bAV-Vermögens für den Zeitpunkt des Rentenbeginns kann nur dann gelingen, wenn dessen Aufbau in ausreichender Höhe vom Mitarbeiter kontrolliert wird, und die Sicherheiten wie etwa eine Verpfändung von Rückdeckungsmitteln rechtswirksam erfolgt war. Würden Betriebsrentenrücklagen gleichwohl geplündert oder verschwinden, so müßte – nur bei rechtswirksamen Vereinbarungen, bestenfalls mit jedem Mitarbeiter persönlich, aber eben nicht lediglich mit dem Arbeitgeber - das eingebundene Finanzhaus abermals bezahlen.
Liquiditätsfalle für Arbeitgeber – Rechtsirrtum für Mitarbeiter
Wenn die bAV-Rentenzahlung ansteht, tritt Pfandreife ein, § 1282 BGB. Obwohl der Mitarbeiter bei bAV-Untersicherung nicht zum Versilbern des verpfändeten bAV-Vermögens gezwungen werden kann, verbreiten viele Finanzplaner und Versicherungsvermittler ein Märchen, wonach das Pfandrecht als Sicherheit des Mitarbeiters bereits mit Auszahlung einer Rückdeckungsversicherung nach Fälligkeit (aber vor bAV-Rentenbeginn) entfallen sei
Damit wird vielfach nur verdeckt, daß die Rückdeckungsmittel zu keiner Zeit an den Mitarbeiter sicherheitshalber und wirksam verpfändet worden waren. Mitarbeiter sollten es daher nicht versäumen, die Verpfändung der bAV-Rückdeckungsmittel gegenüber Versicherung oder Fondsgesellschaft persönlich anzuzeigen, und sich den Eingang dieser Mitteilung schriftlich bestätigen zu lassen. Darüber hinaus ist es vielleicht auch spannend zu beobachten, welche Zahlungen vom Arbeitgeber wirklich geleistet wurden, und wie es mit der Wertentwicklung der Rückdeckungsmittel ausschaut. Entscheidend ist, daß freundliche Verträge und/oder Zusagen allein des Arbeitgebers, beispielsweise dem Mitarbeiter sei ein Bezugsrecht eingeräumt oder die Rückdeckung sei an den Mitarbeiter verpfändet, zunächst absolut wirkungslos sind.
Normalen Angestellten, leitenden Mitarbeitern und Geschäftsführern – soweit sie durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) „geschützt“ wären – sollte bewußt sein, daß die Leistungen des PSVaG bis zu weniger als 50% dessen sein könnten, was ursprünglich zugesagt wurde – Geschäftsführer sind auf diese Weise oft gar nicht gesichert. Denn ab dem Eintritt des Sicherungsfalles kommen erwirtschaftete Überschüsse aus der Kapitalanlage nicht mehr dem Mitarbeiter zugute. Diese Überschüsse werden im Solidarsystem des PSVaG anderweitig verwendet.
Uninformierte Rentner und Pensionäre geben dann auch noch ab Rentenbeginn die an sie verpfändeten ohnehin unzureichenden Sicherheiten ganz oder teilweise auf, weil sie meinen, es müsste so funktionieren, wie ihnen der Arbeitgeber oder auch der Rückdeckungsversicherer dies weismachen will. Dem gilt es informiert sich schlicht zu verweigern, und auf dem vollen Erhalt der verpfändeten Sicherheiten zu bestehen, indem sie beispielsweise beim Versicherer ungekürzt hinterlegt bleiben, während der Arbeitgeber einstweilen die Betriebsrenten alleine bezahlt. Klagt der Arbeitgeber darob über eintretende Liquiditätsprobleme, so bestätigt dies nur, wie richtig die Entscheidung war, die verpfändeten Sicherheiten ungekürzt liegen zu lassen.
Mancher Arbeitgeber mag überrascht sein, dass seine Vorfinanzierung der bAV durch Rückdeckungsversicherungen auf diese Weise überhaupt nicht dazu führt, dass diese sich dann später mindestens anteilig ab Rentenbeginn auch an den Rentenzahlungen beteiligen wird. Er müsste aber einfach nur auf seinen Rückdeckungsversicherer hören und soviel Mittel ansparen, dass diese auch als Sicherheiten später voll ausreichen.
*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
Urheberrecht:
SOME RIGHTS RESERVED - vgl. Creative Commons http://mirrors.creativecommons.org/
Im Sinne freier Netzgesellschaft (Professor Lawrence Lessing, Stanford Law School, www.lessing.org) unterfallen die Texte (auch auf der Internetseite www.fiala.de) den Regelungen der Non-Profit-Organisation "Creative Commons" (http://de.creativevommons.org).
Sie dürfen:
. das Werk bzw. den Inhalt vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, und
. das Werk bzw. den Inhalt auch kommerziell nutzen.
Zu folgenden Bedingungen:
. Namensnennung — Sie müssen den Namen des Autors/Rechteinhabers in der von ihm festgelegten Weise nennen.
. Keine Bearbeitung — Dieses Werk bzw. dieser Inhalt darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verändert werden.
Im übrigen wird um vorherige Anfrage höflich gebeten.