Häufiger Versicherungsschutz über private Zusatzversicherungen trotz Vorerkrankungen
Dr. Johannes Fiala / Dipl.-Math. Peter A. Schramm
München im Juni 2015
Vorstände gesetzlicher Krankenversicherungen als Versicherungsvertreter bei Zusatzversicherung*
- Häufiger Versicherungsschutz über private Zusatzversicherungen trotz Vorerkrankungen -
*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
Gesetzliche Krankenversicherungen (GKV) vermitteln inzwischen gerne an ihre Mitglieder auch private Zusatzversicherungen, beispielsweise für den Fall des Krankenhausaufenthaltes oder zur überwiegenden Erstattung der Kosten des Zahnersatzes nebst Behandlung. Die Krankenkasse selbst, vertreten durch ihre Vorstände, wird zum Versicherungsvertreter – auch Agent genannt - eines privaten Krankenversicherungsunternehmens (PKV). Die Mitarbeiter des Versicherungsvertreters in Form der Krankenkasse bemühen sich dann um die Vermittlung dieses Zusatzgeschäfts als deren Erfüllungsgehilfen. Werden – wie hier - Versicherungsvertreter vom privaten Krankenversicherer eingeschaltet, so sind Beratungsfehler an der Tagesordnung, für die der private Krankenversicherer meist für seinen Vertreter alleine haftet. Gelegentlich haftet die Krankenkasse als Vertreter der PKV auch selbst, wenn sie – was vorkommt, besonderes Vertrauen bei der Vermittlung in Anspruch genommen hat oder über die eventuelle Provisionszahlung hinaus eigenes Interesse am Zustandekommen der Zusatzversicherungen hatte. Seit 2008 haftet der Versicherungsvertreter – also hier auch die GKV – wenn es bei der Beratung und Dokumentation zu Fehlern kommt, § 63 VVG.
Krankenkasse ist „Auge und Ohr“ des Privatversicherers
Bei vielen dieser Zusatzversicherungen verzichtet die PKV nicht auf eine Gesundheitsprüfung und stellt daher im Antrag Gesundheitsfragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 11.07.1990, Az.·lV ZR 156/89) hat der Privat-Versicherer stets zu beweisen, daß der Kunde sachgerecht von seinem Versicherungsvertreter – hier also der Krankenkasse - befragt wurde, denn sie bedient sich ihres Vertreters als ihr „Auge und Ohr.“
Manchmal füllen Agenten das Formular flüchtig aus, und halten es dem Kunden nur kurz zur Unterschrift hin. Ruhiges sorgfältiges Durchlesen, sowie Rückfragen bei Verständnisschwierigkeiten sind damit praktisch ausgeschlossen. Hinzu kommt die Verwirrung der Kunden durch unübersichtliche Druckstücke des privaten Versicherers.
Nur sorglose Versicherungsvertreter werden zum Glück des Kunden im Schadensfall
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber kann der Privat-Versicherer bereits nicht wegen Anzeigepflichtverletzung später zurücktreten, wenn der Kunde gar nicht mit der gebührenden Sorgfalt befragt wurde.
Der Agent ist bei der mündlichen Befragung des Kunden „Auge und Ohr des Versicherers“, auch wenn er dann sagt, eine bestimmte Vorerkrankung spiele keine Rolle. Was der Kunde der Krankenkasse als Vertreter der PKV sagt, das hat er also auch der PKV gesagt. Der Agent ist verpflichtet, dies damit auch der PKV zur Kenntnis zu bringen. Nach der sogenannten Auge- und Ohr-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Versicherer am Ende also nicht wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflicht zurücktreten, wenn die Krankenkasse als Agent es nicht an die PKV weitergibt.
Ausnahme: Kunde und Krankenkasse als Vertreter der PKV-Versicherers sind sich einig, dass die Antragsfragen unrichtig beantwortet werden sollen, genau weil sonst die Zusatzversicherung nicht zustande kommt. Dies stellt nämlich Arglist dar, und wegen Arglist kann der PKV-Versicherer auf jeden Fall zurücktreten.
Sollte der Kunde sich dann etwa bei der BaFin beschweren, dass er von der Krankenkasse als Versicherungsvertreter der PKV zur Falschbeantwortung angehalten wurde, so kann diese zu Aufsichtsmitteln bis zur Abberufung des Vertriebsvorstands der PKV greifen. Denn die PKV ist dafür verantwortlich, sich nur zuverlässiger und sachkundiger Vertreter zu bedienen und diese zu überwachen und zu schulen - von ihren unzuverlässigen Versicherungsvertretern – und seien sie auch durch den Vorstandsvorsitzenden einer großen Krankenkasse vertreten - muss sie sich indes trennen.
GKV als Makler oder Versicherungsvertreter?
Mitarbeiter der GKV geraten unversehens in einen Interessenkonflikt, wenn ein Mitglied anstatt einer privaten Zusatzversicherung gleich einen kompletten Wechsel zur PKV-Vollversicherung erwägt. In dem Moment, wo das Mitglied angesprochen wird, weil es im Begriff ist, zur PKV zu wechseln, und mit dem Argument der Zusatztarife und anderen Vorteilen von der GKV auch in der Funktion eines Maklers oder Agenten zum Bleiben in der GKV bewogen wird, werden Gerichte die Haltebemühungen nicht immer nur als reinen GKV-Beratungsservice, sondern zusammen mit der in diesem Rahmen stattfindenden Vermittlung der PKV-Zusatzversicherung ggf. auch als Beratung durch einen Versicherungsvertreter auffassen. Für den Kunden wird es später leicht sein, seine Fehlentscheidung (wenn der Wechsel zur PKV besser gewesen wäre) auf das für den Versicherungsvertreter – die Krankenkasse - verantwortliche PKV-Unternehmen abzuwälzen, denn eine saubere Trennung zwischen GKV-Beratung und Agenten- bzw. Maklerberatung wird es in der Praxis bei der GKV kaum geben.
Jedoch kann auch die Krankenkasse selbst haften, wenn sie im Internet und bei Kundenberatungen entgegen gesetzlicher Pflichten keine Erstinformation zum eigenen Status verlautbart, und vielleicht gerade zur Beratung durch den GKV-Mitarbeiter im Vorfeld der Fehlentscheidung keine Dokumentation erstellt wurde. Der GKV wird es kaum möglich sein erstmal ihre Haltebemühungen zu tätigen, um erst sodann die Vermittlerkarte zu ziehen und die Zusatzversicherung vermitteln können – vielmehr dürfte beides nicht selten vermischt ineinander übergehen.
In der Dokumentation wären dann alle Beratungen zum Verbleiben in der GKV vielleicht außen vor, und nur für die Vermittlung der Zusatzversicherung wäre etwas dokumentiert worden. Nachdem der GKV-Mitarbeiter quasi mit zwei Mützchen auf dem Kopf arbeitet, kann es zum Beispiel vorkommen, dass der Beratene dann während der begonnenen Beratung zur Zusatzversicherung die Frage stellt, ob nicht angesichts der Beiträge und Lücken der Zusatzversicherung doch der komplette Wechsel zur PKV besser wäre? Wenn sich der zur Zusatzversicherung Vermittelnde dann auf diese Frage einlässt, ist die Haftung auch dafür vorprogrammiert. Bei unvollständiger Dokumentation indes kehrt sich die Beweislast um, und die PKV muss bei vom Kunden behaupteter Falschberatung beweisen, dass ihr Vertreter richtig beraten hat.
Dieser wird sich auch nicht damit herausreden können, dass er selbstverständlich auch noch die Aufgabe hatte, den Kunden bei der GKV zu halten und von einem Wechsel in die PKV abzubringen.
Auch PKV-Versicherer muss korrekt beraten
Ebenso muss der PKV-Versicherer nach § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) selbst auch beraten, wenn er einen Beratungsbedarf oder Falschberatung durch die Krankenkasse als ihres Vertreters erkennt – zur Not eben auch dazu, zur PKV zu wechseln, ohne Rücksicht darauf, dass ihr Versicherungsvertreter – die Krankenkasse – den Kunden gerne selbst behalten hätte. Anderslautende Vereinbarungen zwischen der Krankenkasse und der PKV etwa auf „Bestandsschutz“ wären rechtlich fragwürdig, weil sie die Vermittler- und Beratungspflichten nach VVG zu Lasten des Kunden unterhöhlen.
Vorsprung durch Rechtsbruch?
Jeder Versicherer bzw. von ihm damit beauftragte Versicherungsvertreter sowie jeder Versicherungsmakler hat weitreichende Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten. Nach § 11 der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und –beratung (VersVermV) muss der Versicherungsvermittler dem Kunden bereits beim ersten Geschäftskontakt beispielsweise über seinen beruflichen Status aufklären. Wenn es dann bei der Beratung durcheinander geht, mal eine solche in Richtung PKV-Vermittlung, mal eine solche über Unterschiede zur GKV und deren Vorzüge, werden Gerichte später im Zweifel an alles und jedes den je Beruf höchsten Maßstab anlegen. Schließlich besteht in der Sozialversicherung ein Rechtsanspruch auf Beratung.
Die Angabe der Aufsichtsbehörde (meist eine IHK) und ein Hinweis auf das entsprechende Berufsregister sind erforderlich. Schweigt sich die Krankenkasse dazu aus, etwa im Internet, obgleich sie private Zusatzversicherungen vermittelt und Versicherungsvertreter eines PKV-Versicherers ist, sollte dies ein Alarmsignal für Kunden sein, weil bereits grundlegendes Wissen um berufliche Pflichten entweder fehlt oder gar bewusst dem zuwider gehandelt wird. Wird dann nicht lückenlos jedes Beratungsgespräch dokumentiert, selbst wenn es nicht zu einer Vermittlung kam, so würde sich dies allerdings in die jüngst vom Bundesjustizminister als verbreitet erkannte gesetzwidrige Nachlässigkeit in der Versicherungsvermittlung einreihen. Schließlich haftet der Versicherer selbst dann für eine Beratung durch seinen Agenten, wenn es aufgrund des Rates nicht zu einer Versicherung kam.
Bei Inanspruchnahme Besonderen Vertrauens haftet die Krankenkasse als Agent selbst
Oft werben Krankenkassen damit, dass sie selbst sich den privaten Krankenversicherer ausgesucht und auf besonders attraktive Produkte hingewirkt haben, um ihren Krankenkassenmitgliedern etwas Besonderes zu bieten. Wohingegen dabei kein Wort dazu gesagt wird, dass sie eigentlich nur Versicherungsvertreter des PKV-Unternehmens sind. Auf diese Weise nimmt die Krankenkasse als Versicherungsvertreter nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch, das auch zu ihrer eigenen Haftung führt. Womöglich geriert sie sich dabei sogar als sogenannter „Scheinmakler“ – weil ja Makler zwischen Versicherern wählen können - und haftet nun wie ein Makler selbst, obwohl der Versicherer für die Krankenkasse als seinem Versicherungsvertreter auch noch haftet.
Freilich wird dafür eine Berufshaftpflichtversicherung fehlen oder sie wird oft nicht leisten, weil die Krankenkasse als Makler vielleicht wissentlich gegen fundamentale Pflichten verstoßen hätte. Eine ganz schlechte Idee ist es bei solchem Verhalten sich auf Unwissenheit zu berufen, denn dies kann entweder zur Trennung vom PKV-Versicherer führen oder gleich zum Entzug der gewerberechtlichen Zulassung für die Krankenkasse als durch ihren Vorstandsvorsitzenden vertretene Versicherungsvertreterin der PKV.
Ob dies dann auch noch dazu führt, dass die Kassenaufsicht auch Zweifel in dessen Zuverlässigkeit als Kassenvorstand hat, wäre abzuwarten. So war auch schon mancher unbeanstandet tätige Gewerbetreibende überrascht, als er wegen Insolvenz einer GmbH, für die er sich als Strohmann-Geschäftsführer hergegeben hatte, auch seine bisherige Gewerbezulassung wegen erwiesener Unzuverlässigkeit verloren hat. Argumente, man sei nur aus formalen Gründen auf dem Papier so ausgewiesen, sind da wenig hilfreich und erwecken eher noch mehr Zweifel.
Ebenso könnte es daher fatal sein, wenn die Krankenkasse etwa argumentieren wollte, dass sie stets nur als Krankenkasse im eigenen Interesse Zusatztarife vermittelt hat und nur aus formalen Gründen, weil es gesetzlich, durch Urteile und ihre Aufsicht verlangt war, dem Anschein nach eine Zulassung als Versicherungsvertreter – vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden der gesetzlichen Krankenkasse - eines PKV-Versicherers erlangt hat, ohne dies tatsächlich jemals in der Praxis sein zu wollen. Wer Versicherungsvertreter eines PKV-Versicherers ist, der muss vielmehr auch alle zugehörigen Pflichten erfüllen, ohne Vorbehalte zu Lasten der Kunden.
Alternative über Unterstützungskassen, Stiftungen und Vereine als Selbsthilfeorganisationen
Dabei gäbe es eine einfache und sichere Lösung, um den Kassenmitgliedern private Zusatzversicherungen zur Verfügung zu stellen, ganz ohne dazu einen Versicherungsvermittler zu benötigen. Eine Selbsthilfe-Stiftung, Unterstützungskasse in Stiftungsform oder ein Selbsthilfeverein von Kassenmitgliedern kann als Versicherungsnehmer selbst für seine Mitglieder, die dies wünschen, Zusatzversicherungen über Gruppenversicherungen abschließen.
Die Vermittlung von Interessenten durch die Krankenkasse an diese Selbsthilfeorganisationen ist dann gar keine Versicherungsvermittlung und damit nicht reguliert. Auch die von der Krankenkasse vorgenommene Anmeldung eines Interessenten zur Gruppenversicherung bei der Selbsthilfeorganisation ist keine Versicherungsvermittlung, denn es kommt kein Vertrag zwischen dem Betreffenden und der PKV zustande, weil dieser lediglich Versicherte Person im Rahmen des zwischen Selbsthilfeorganisation und PKV bestehenden Gruppenversicherungsvertrages ist. Entsprechende Selbsthilfeorganisationen bestehen heute schon.
Dabei kann sogar für bestimmte Produkte ganz ohne PKV-Versicherung eine Leistung angeboten werden. Denn Zusagen etwa für Vorsorge, IGEL-Leistungen und Impfungen, für Brillen ohne Wenn und Aber bis zu Höchstbeträgen innerhalb eines Zeitraums oder für alle Heilpraktikerleistungen und von diesen verschriebene Arzneimittel bis zu jährlichen Höchstbeträgen und zahlreiche andere geeignet zu gestaltende Leistungen stellen gar nicht die Abdeckung eines – zufälligen - Lebensrisikos dar, sondern fallen rechtlich unter „Lebensgestaltung“. Damit handelt es sich schon grundsätzlich nicht um Versicherungen – somit kommt es auch zu keiner Versicherungsvermittlung.
Sie können daher auch von Selbsthilfe-Stiftungen ohne jede Versicherer-Zulassung direkt angeboten werden – eine ausreichende Kalkulation der erforderlichen Beiträge muss selbstverständlich erfolgen. Werden die gleichen Leistungen allerdings durch Versicherungsunternehmen angeboten, handelt es sich dabei schon wegen dieses Anbieters um Versicherungsgeschäft.
*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
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